Nur wenige Tage nach der Übergabe des Ackers treffen sich die Jungbauern - wie wir uns mittlerweile stolz nennen - auf dem Acker um zu ackern. :)
Zuerst wird der Acker mit Hilfe der Planung in Abteile eingeteilt, damit man sich besser merken kann wo man was gesät hat - und damit man es hoffentlich irgendwann auch wieder findet. Frohgemut stapfen Michi und ich los, Michi mit der Planung, ich mit einem Stock um die Abteile zu markieren.
Doch oh Schreck, was ist das? Als wir beim letzten meiner geplanten Abteile ankommen, stehen wir noch immer nahezu mittig auf dem Acker - das Ende der Reihe (an dem wir laut Planung stehen sollen) ist noch weit! Wie kann das sein???
Ganz einfach: Die Reihen in unserem Abteil messen statt der errechneten und bezahlten 26,6m ganze 34 m Länge!
Ich starre auf meine Planung, dann auf das Feld, dann wieder auf meine Planung.
SIEBEN METER MEHR!!!!???
Bilder von Twilight Sparkle, der manischen Pony Prinzessin gallopieren an meinem inneren Auge vorbei, mein linkes Auge zuckt...
Von drüben höre ich Simone grinsen: "Na, besser zu viel als zu wenig!" Recht hat sie. Aber SIEBEN METER!!!!
Zur Erläuterung der Dimension meines Schrecks, der so einfach durch die Großzügigkeit des Bauern (und der schiefen Ausmaße des Feldes) ausgelöst auf mich hineinstürzt:
Die Planung ist nicht einfach nur die Planung. Sie ist ein Meisterwerk. Und sie ist auf 26,6m ausgelegt!!!
Stunde um Stunde habe ich Bücher und Internetseiten gewälzt, habe erarbeitet welches Gemüse wen zum guten Nachbarn hat und neben wem es auf gar keinen Fall wohnen mag, welche Kombination welche Schädlinge anlockt und welche fernhält und natürlich wie viele Pflanzen bei optimalem Pflanzabstand in einer Parzelle gepflanzt werden können... Diese ganze Arbeit schien sich vor meinen Augen in Luft aufzulösen.
Aber so schnell gebe ich nicht auf. Wir teilen den Acker unter unseren Füßen erneut nach Planung ein, doch diesmal geben wir jedem Abteil einfach Pi mal Daumen mehr Raum. Ha! Am Ende habe ich in der Mitte zwar noch ca zwei Meter ungeplanten Streifen, aber mei, damit lässt sich leben.
Katastrophe abgewehrt, lasset uns säen!
Zunächst kommt der Spinat an die Reihe. Das erste Mal besehe ich mir den Boden, aus dem bald die nahrhaften zarten Pflänzchen sprießen sollen, genauer - und auf einmal geht mir auf, warum Manfred, der bereits früher als wir auf dem Acker angekommen war, unsere "Jungbauern" Chatgruppe in "die Steingartenbauern" umbenannt hatte... Ja, Ackerboden gibt es hier auch, allerdings eher in Krümelform um die bis zu faustgroßen (und ich rede Michis Faust, nicht Emmas) Ackersteine herum drapiert... Gehört das so? Sieht jeder Acker so aus, wenn man ihn sich genau anschaut?
Ich habe keine Ahnung, beschließe aber, dass es wohl die Steine sein müssen, die den Gemüseanbau auf dem Feld so viel leichter machen als der Gemüseanbau im Garten sein soll. Logisch, den Schnecken ist das zu hart auf den scharfen Steinen hier rum zu kriechen. Und bestimmt läuft das Regenwasser an den Steinen entlang viel besser tief in den Boden hinein wo es auch im Sommer noch gespeichert ist - weswegen man nicht gießen muss...
Und als ich meine Hände in den Boden grabe, merke ich dass er wirklich locker, krümelig, feucht (obwohl es lange nicht geregnet hat) und sehr warm ist. Ein schönes Gefühl an den Händen.
Dieser Lobeshymne an die Ackersteine zum Trotz schaffe ich den künftigen zarten Spinatpflänzchen dennoch die dicksten Ackerbrocken aus dem Weg. Man kann ja nie wissen... Die Kinder legen gewissenhaft Samen für Samen an ihren Platz und decken sie erstaunlich sanft mit Erde zu. Ich lasse mich von der Fürsorglichkeit anstecken und ertappe mich dabei, wie ich leise "Lasst es euch gut schmecken!" flüstere als wir Steinmehl als Dünger streuen. Jetzt noch ein Schluck Wasser und alles ist gut.
Doch statt des sanften regengleichen Rieselns aus der Gießkanne mit Regentülle schwappt hart und fest ein riesiger Schwall Wasser mitsamt der gelösten Regentülle auf meinen Spinat... Die Kinder schreien erschrocken auf als sie ihrer Arbeit hinfort schwimmen sehen. Zur Sicherheit lege ich heimlich nochmal ein paar Samen in die Reihen und begrabe sie in matschiger Erde, während ich den Kindern versichere, dass ihrem Spinat sicher nichts passiert ist... Ich hoffe sehr, dass Spinat ein robustes Gemüse ist, das spontane Wasser fluten nicht so übel nimmt. Als ich aufschaue sehe ich Michis Blick, der leidgeprüft sagt: "Ja, das ist mein Spatzl." bevor er mir demonstriert, dass man die Regentülle mit einem kleinen Klick an der Gießkanne arretieren kann - und sollte. Hust. Ah ja. Weiß ich das jetzt auch.
Immerhin haben die Kinder für sich entdeckt, dass säen ja gar nicht wirklich Arbeit ist und einen Riesenspaß machen kann. Kurzerhand werden die Anfangsstücke unserer Reihen zu Kinderbeeten erklärt, wo die beiden auch gleich emsig beginnen, kreuz und quer Dinge zu säen und anzugießen.
Ihre Begeisterung ist ansteckend!
Ich säe also fleißig weiter. Heute gibt es neben besagtem Spinat auch ein paar Kohlrabi, Markerbsen (die auch ohne Erbsenzaun stehen können, wusste ich gar nicht, freut mich aber), Pastinaken, Mangold, Radieschen, Pflücksalat und Schnittknoblauch dort, wo später noch andere Wurzelgemüse hinkommen sollen, denn dieser soll, genau wie andere Zwiebelgewächse, die böse Möhrenfliege, die zu durchlöcherten und deformierten Wurzeln führt, fernhalten. Die ekeln sich nämlich vor Zwiebeln. Ich muss mir bei diesem Satz immer ein kleines, ekelverzerrtes Fliegengesicht vorstellen, das bäh sagt und mit gerümpfter Nase weiter fliegt.
Zu guter letzt gießt Michi alle frisch beackerten Beete an. Mittlerweile hat er sich einen Campingstuhl geholt und überwacht das frohe Geackere vom Rand her, doch seine Aufgabe als erprobter Kannenexperte erfüllt er sehr gewissenhaft.
Als dies erledigt ist, schreiten wir noch einmal unsere Reihen ab und ich trage die bepflanzten Bereiche in die Planung ein. Doch was ist das? Wo der Mangold stehen sollte, ist die Markerbse, wo die Markerbse sein sollte ist ein leeres, ein Meter langes Beet und wo ist sie, die Markerbse? Ach, da vorne. Da hatte jemand die Abteile wohl nicht so eindeutig markiert wie sie gedacht hatte...
Tja, eine Planung ist ein wachsendes lebendes Gebilde... und lebt bis zum nächsten Feind... äh Ackerkontakt. Gottseidank kann ich darüber momentan nur milde lächeln. Die Arbeit mit dem warmen feuchten Boden hat mich anscheinend bereits geerdet.
Apropos Erdung:
Es ist mittlerweile 6 Uhr, wir hatten nichts zum Mittagessen und dennoch fährt meine Familie frohen Mutes und ohne sich gegenseitig anzumotzen (wie sie es sonst bereits bei dem leichtesten Anzeichen von Hunger oder einem drohenden ausbleibenden Mahl tut) schmutzig und fröhlich von unserem Acker weg.
Ja, es ist unser Acker, denn heute haben wir alle drei hier gearbeitet und es hat uns so viel mehr Energie gegeben als wir uns jemals vorstellen konnten! Was für ein schöner Tag!
Nachtrag:
Gleich am nächsten Tag radelte ich trotz schrecklichem Gegenwind, nur mit einem Ringblock und einem Stift bewaffnet zum Acker um, den Parzellen neutrale Namen zu geben und eine neuere, bessere Planung zu erstellen.
Sie heißen jetzt N (für Nordreihe) 1 - 15 und M (für Mittelreihe) 1 - 9, daneben steht die Länge der Parzelle, daneben, was an welchem Datum dort gesät wurde, und daneben die Empfehlung, was am besten dort angepflanzt werden sollte - basierend auf der Ur-Planung.
Glücklich radel ich heim und höre meine innere Twilight Sparkle böse lachen....
Nachtrag 2 oder: Eine Ackerplanung ist lediglich eine freundliche Empfehlung an die Realität...
Am Abend nachdem ich meine Planung auf so unglaubliche Weise perfektioniert hatte, fiel mir auf, dass ich doch tatsächlich vergessen hatte die Wurzelpetersilie auszusäen! Die muss unbedingt noch diesen Monat aufs Feld!
Also auf, liebe Familie, drei Tage später geht es bereits ein weiteres Mal auf den Acker. Die liebe Familie geht auch fröhlich mit, nachdem es uns letztes Mal so gut getan hatte.
Doch auf dem Acker schauen wir uns verloren an. War das hier N5? Oder die Parzelle eins weiter? Ist die Furche die Begrenzung oder der Steinhaufen? Und was ist das für ein Stecken da, mitten in N4? Ah, ja, da war Schnittknoblauch... glaube ich... Memo an uns: Auf einem Acker sieht nach einem Tag wieder alles gleich aus.
Nein, noch gebe ich mich nicht geschlagen: Jede Parzelle wird nun von mir mit einem Stein bedacht, auf dem groß mit Edding die Parzellenbezeichnung steht. Haha, kein Verzählen mehr! Die Begrenzungen sind nun eindeutig. Schnell noch N4 und N5 zusammengelegt und voila, die Planung stimmt wieder.
Fragt sich nur wie lange... :D
Immerhin haben wir jetzt Übung und die Wurzelpetersilie sowie die Tagetes mit den charmanten Beinamen "Nematodentod" (weil sie genauso effektiv die Wurzelgemüse schützen sollen wie die Zwiebelgewächse - dabei aber noch sehr hübsch aussehen) sind schnell ausgesät. Emma legt ein professionelles Möhrenbeet an und deckt es mit einem kleinen Kulturschutznetz ab, so wie wir es mit den großen Pastinakenbeeten getan haben. Wahrscheinlich ist dieses hässliche Netz effektiver als Zwiebel und Nematodentod zusammen...Und sieht auch noch richtig professionell aus!
Wieder einmal verlassen wir 3 schmutzig aber glücklich den Acker - genau bevor der Regen einsetzt. Sehr gut, mit dem hatten wir gerechnet um uns das Angießen zu sparen! Ich liebe es wenn ein Plan funktioniert. ;-)